BGH entscheidet zugunsten Versicherungsnehmer bei fehlgeschlagenen Kapitalanlagen

Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) auf dem Gebiet des Kapitalanlagerechts stellt klar, dass Rechtsschutzversicherungen sich im Falle notleidender Immobilienfonds nicht auf den Baurisikoausschluss in ihren AGB berufen dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Risikoausschluss des § 4 (1) k der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Rechtsschutzversicherung ARB 75 so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH v. 16. 6. 1982 –IVa ZR 270/80, BGHZ 84, 268 [272] = MDR 1982, 916; v. 23. 6. 1993 –-IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 [85] = MDR 1993, 841 und ständig).

Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH v. 17. 9. 1975 –-IV ZR 17/75, BGHZ 65, 142 [145] = MDR 1976, 128; Urt. v. 17. 3. 1999 – IV ZR 89/98, VersR 1999, 748 unter 2 a).

Die Ausschlussklausel des § 4 (1) k ARB 75 (Baurisikoausschluss) verfolgt den – auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren – Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.

Sie stellt dafür auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte Rechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebäudes zuzuordnen ist. Der geforderte Zusammenhang muss dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es muss darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein (vgl. BGH, Urt. v. 16. 10. 1985 – IVa ZR 49/84, MDR 1986, 296 = VersR 1986, 132 unter 2; v. 1. 2. 1989 – IVa ZR 247/87, MDR 1989, 619 = VersR 1989, 470 unter 2; v. 14. 2. 1990 – IV ZR 4/89, VersR 1990, 485 unter 4; Urt. v. 10. 11. 1993 – IV ZR 87/93, MDR 1994, 893 = VersR 1994, 44 unter 3). Die Klausel erfasst das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die anlässlich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebäudes hat. Nur das offenbart sich dem verständigen Versicherungsnehmer bei unbefangener Lektüre der streitbefangenen Klausel. Es erschließt sich ihm hingegen nicht, dass er keinen Deckungsschutz für die Durchsetzung von Ansprüchen haben soll, die zu dem Bauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, sich vielmehr aus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes (BGH, Urt. v. 10. 11. 1993 – IV ZR 87/93, MDR 1994, 893 = VersR 1994, 44 unter 3) oder – wie hier – dem Erwerb von Fondsanteilen ergeben, selbst wenn der Zweck der Gesellschaft, der die Kläger beigetreten sind, in der Errichtung und der Verwaltung einer Immobilie besteht.

Der BGH stellte fest, dass dieser besondere Zusammenhang im Falle der Kläger zu verneinen war. Die von ihnen verfolgten Ansprüche betrafen nicht das dem Leistungsausschluss allein unterfallende Baurisiko. Die Kläger hielten nicht die Planung oder Errichtung des Objekts für fehlerhaft. Sie machen stattdessen geltend, der Prospekt enthalte wahrheitswidrige Angaben über die Höhe der anfallenden Vertriebskosten und über die Genehmigungsfähigkeit der dort ausgewiesenen, zur späteren Vermietung vorgesehenen 12 Geschosse. Sie fühlten sich über den Wert der erworbenen Fondsanteile getäuscht und von dem geschäftsführenden Gesellschafter der Immobilienfonds-GbR und dem Geschäftsführer der Treuhand-GmbH deliktisch geschädigt. Ähnlich verhält es sich mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, die sich gegen die Treuhand-GmbH richten, weil diese in Kenntnis davon, dass das Bauvorhaben nicht prospektgerecht umsetzbar war, ihr anvertraute Gelder unberechtigt ausgezahlt haben soll. Die Rechtsverfolgung der Kläger ist damit dem – anders gearteten – Erwerbsrisiko zuzuordnen.

Ihr Vorwurf des Betruges und der Untreue steht außerhalb des mit der Klausel verfolgten Zwecks; er betrifft insbesondere keinen Vorgang, der die Baumaßnahme unmittelbar begleitet und mit dieser in dem geforderten qualifizierten Zusammenhang gestanden hat. Die Täuschung, auf die die Kläger sich berufen, mag die Werthaltigkeit der Fondsanteile zum Gegenstand haben, insbesondere weil sich eine geringere Geschosszahl auf die aus der Immobilie zu erzielenden Mieterträge auswirkt; einen Baumangel hat dies jedoch nicht zur Folge. Das gilt erst recht für die der Treuhand-GmbH angelastete unerlaubte Handlung.

Will der Versicherer auch diese mit dem Erwerb verbundenen Risiken vom Versicherungsschutz ausschließen, muss er die Klausel entsprechend deutlich formulieren. Da die beklagte Rechtsschutzversicherung dies unterlassen hat, ist die Klausel in dem engeren Sinne zu verstehen, dass sie allein das – hier nicht berührte –Baurisiko umfasst.

Der Senat hat diesen Standpunkt bereits in seinem Urt. v. 10. 11. 1993 (BGH, Urt. v. 10. 11. 1993 – IV ZR 87/93, MDR 1994, 893 = VersR 1994, 44 unter 3) vertreten. Soweit sich aus dem Senatsurteil v. 16. 10. 1985 (BGH, Urt. v. 16. 10. 1985 – IVa ZR 49/84, MDR 1986, 296 = VersR 1986, 132 unter 2) etwas Anderes ergibt, hält er an der dortigen Sichtweise nicht fest.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.02.2003, Az.: IV ZR 318/02

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