Anleger Emissionsprospekt Prüfungspflicht Verjährung
Der BGH hat bereits mit Urteil vom 08. Juli 2010, III ZR 249/09, entschieden, dass es auch in verjährungsrechtlicher Hinsicht keine grobe Fahrlässigkeit eines Anlegers darstelle, wenn sich dieser auf die mündliche Darstellung des Anlagevermittlers verlässt und die mündlich erteilten Auskünfte des Anlagevermittlers nicht anhand eines ihm übergebenen Emissionsprospekts überprüft.
In dem Urteil vom 22. Juli 2010, III ZR 99/09, hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung bestätigt und weiter ausgearbeitet. Der Bundesgerichtshof stellt in der Entscheidung vom 22. Juli 2010 fest, dass der Anleger auch nicht innerhalb laufender Widerrufsfristen dazu verpflichtet sei, die mündliche Beratung anhand des Emissionsprospektes nachzuprüfen. Nach dem Bundesgerichtshof dient eine Widerrufsbelehrung dazu, den Anleger in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls andere Angebote zu prüfen und die Zweckmäßigkeit seiner Anlageentscheidung zu überdenken. Dies führt aber allenfalls zu einer leicht gesteigerten Obliegenheit, den Prospekt auf Risiken zu prüfen, deren Verletzung aber nicht als grob fahrlässig einzustufen sei. Sofern ein Anleger eine Beteiligung mittels Fremdkapital finanziere, führt nach dem Bundesgerichtshof zwar dazu, dass ein solcher Anleger zu größerer Vorsicht Anlass hat als ein "liquider" Anleger, dies bedeute aber nicht, dass die unterbliebene Durchsicht des Emissionsprospektes als grob fahrlässig zu qualifizieren sei.
Die beiden Juli-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stellen klar, dass ein Anleger nicht dazu verpflichtet ist, im Interesse des Beraters möglichst frühzeitig für einen Beginn der Verjährung zu sorgen, sondern sich in erster Linie auf die ihm zuteil gewordene Beratung verlassen darf, die auch Grundlage seiner Anlageentscheidung war. .
Der Bundesgerichtshof schiebt die "grundsätzliche" Annahme vieler Gerichte, dass Schadensersatzansprüche aufgrund einer fehlerhaften Anlageberatung verjährt seien, nur weil der Anleger die mündliche Darstellung von Anlageberatern / Anlagevermittlern nicht anhand des Prospektes kontrolliert und in seinem Zeichnungsscheinen eine Bestätigung über die Kenntnisnahme des Prospektinhalts / der Risiken unterzeichnet hat, einen Riegel vor. Die Verjährungseinrede vieler Vermittler, Berater und Finanzdienstleister dürfte in zukünftigen Verfahren sorgfältig zu prüfen sein, wobei der Bundesgerichtshof die Position des Anlegers erheblich gestärkt hat. Eine fachgerechte Prüfung etwaiger Ansprüche kann sich also noch lohnen.