Die Medien berichten bereits seit geraumer Zeit, dass sich Verbraucher unter Umständen von ihren laufenden Krediten vorzeitig lösen können, wenn die damals verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen ist. Laut einer Studie der Verbraucherzentralen Hamburg, Bremen und Sachsen wiesen rund 80 Prozent der von ihnen ausgewerteten 1.833 Widerrufsbelehrungen Fehler auf, die einen Verbraucher zu einem Widerruf berechtigen.

Grundsätzlich räumt der Gesetzgeber dem Verbraucher bei dem Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages eine Überlegungsfrist ein, ob er an seiner Vertragserklärung festhalten oder diese widerrufen möchte. Grundsätzlich beginnt die Widerrufsfrist mit Erhalt der Belehrung. Erfolgt diese Belehrung ordnungsgemäß, ist der Verbraucher an den Darlehensvertrag und an den vereinbarten Zinssatz zu der vereinbarten Laufzeit gebunden. Sofern der Verbraucher das Darlehen vorzeitig zurückführen oder umschulden möchte, verlangt die Bank normalerweise eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung, die häufig im vier- bis fünfstelligen Bereich liegt.

Für viele Verbraucher eröffnet sich durch häufig fehlerhaft verwendete Widerrufsbelehrungen ein Ausweg, um sich von ihren Krediten ohne die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zu lösen und gegebenenfalls das derzeit niedrige Zinsniveau zu nutzen:

Wenn die von einer Bank oder Sparkasse verwendete Widerrufsbelehrung Fehler aufweisen sollte, wird der Lauf der Frist für den Widerruf der Vertragserklärung nicht in Gang gesetzt, weshalb der Darlehensvertrag auch noch nach Jahren widerrufen werden kann. Entsprechend können Kreditnehmer unter bestimmten Umständen von den derzeit niedrigen Kreditzinsen profitieren.

Zur sicheren Beurteilung, ob eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorliegt, wird meist anwaltliche Hilfe unerlässlich sein. So kommt es beispielsweise darauf an, zu welcher Zeit eine Bank oder eine Sparkasse welche Formulierung gewählt hat, zudem sind die gesetzlichen Bestimmungen nebst Musterwiderrufsbelehrungen in den letzten Jahren einige Male geändert worden.

Sofern eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein sollte, sollte der betroffene Kunde aber zunächst einmal zusehen, dass er eine Umschuldung bzw. die Ablöse des Kredites organisieren kann, da das Darlehen nach einem Widerruf der Vertragserklärung grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen ist.

Oft einigen sich Kreditnehmer und Kreditgeber ohne Prozess, beispielsweise ist die Bank bereit, das widerrufene Darlehen vorzeitig mit einer sehr stark ermäßigten Vorfälligkeitsentschädigung aufzulösen oder einen neuen Kreditvertrag mit einem weitaus günstigeren Zinssatz abzuschließen.

Einige Banken, wie die DSL Bank AG oder DKB AG lassen es auf ein Klageverfahren ankommen, nach der derzeitigen Rechtslage haben das Oberlandesgericht Brandenburg und das Kammergericht jedoch den Klagen der Verbraucher stattgegeben, die Senate sahen ebenfalls Fehler in den verwendeten Widerrufsbelehrungen.

Da für die Banken ein sehr hohes Schadenspotential besteht, wenn alle falschberatenen Kreditnehmer ihre Verträge widerrufen, ist es nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung bankenfreundlicher wird oder der Bundestag die Gesetzgebung ändert. Auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema steht noch aus. Daher sollten sich betroffene Kreditnehmer nicht auf Dauer auf die jetzige Rechtslage verlassen und einen versierten Anwalt um eine Einschätzung bitten.

Sofern ein Vertragsrechtschutz besteht und keine Risikoausschlussklausel greift, übernehmen die meisten Rechtsschutzversicherungen die Kosten für eine entsprechende Rechtsverfolgung, wenn die Bank einen Widerruf als unbegründet zurückgewiesen hat.

 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 29.08.2013, Az. 9 U 24/11, entschieden, dass es sich bei einer so genannten Cobold-Anleihe um ein komplexes strukturiertes Finanzprodukt handelt, für das besondere Aufklärungspflichten bei einem Beratungsvertrag gelten.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der von einer Bank beratene Kunde Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Bank geltend gemacht. Seine Ehefrau und er seien im Jahr 2007 von dem Mitarbeiter der beklagten Bank falsch beraten worden, da sie über die Eigenheiten und die Funktionsweise einer Cobold-Anleihe nicht richtig aufgeklärt worden seien. Der Mitarbeiter der Bank habe nicht auf die erheblichen Risiken der Cobold-Anleihe, die mit normalen festverzinslichen Wertpapieren nicht vergleichbar sei, hingewiesen.

Das OLG Karlsruhe gab dem Kläger Recht und hat die beklagte Bank zu einer Rückabwicklung verurteilt. Das OLG Karlsruhe hat jedoch die Revision beim BGH zugelassen, da es die Frage von grundsätzlicher Bedeutung hält, welchen Umfang die Anlageberatung einer Bank bei einer synthetischen Anleihe (Anleihe mit Kreditderivat) haben müsse.

Zum Verständnis: Cobold-Anleihen klingen zunächst einmal nett, haben es aber in sich:

Das Konstruktionsprinzip einer Cobold-Anleihe, auch Colibri-Anleihe oder Synthia-Anleihe genannt, scheint recht simpel zu sein. Cobold steht für „Corporate Bond Linked Debt“, also um eine Anleihe bezogen auf Unternehmensanleihen, ein sogenanntes strukturiertes Produkt, eine Anleihe mit integriertem Kreditderivat. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Wette auf die Zahlungsfähigkeit eines Korbes von Unternehmen, die ihrerseits Anleihen emittiert haben. Der Anleger erhält eine Nominalverzinsung von aktuell zwischen 3,0 und 6,25 Prozent und am Ende der Laufzeit den Nominalwert der Anleihe zurückerstattet, sofern bei keinem der zugrundeliegenden Unternehmen ein sogenanntes „Kreditereignis“ eintritt.

Mit „Kreditereignis“ ist die Insolvenz oder eine andere erhebliche Beeinträchtigung der Zahlungsstörungen eines Referenzunternehmens gemeint, die gewöhnlich in einem komplizierten Regelwerk alternativer Bedingungen und Ereignisse erläutert werden. Wenn eines der Unternehmen seine Anleiheschulden nicht bezahlt, kann der Emittent die Cobold-Anleihe gegen die Anleihe der Pleitefirma austauschen. Wie hoch der Gegenwert ist, weiß der Anleger nicht, das Risiko des Ausfalls eines Referenzunternehmens wird auf den Anleger übertragen.

In seiner Entscheidung hat das OLG Karlsruhe zunächst herausgearbeitet, dass bei Cobold-Anleihen grundsätzlich eine spezifische Aufklärungspflicht bestehe. Die Anleihe habe eine ganze Reihe besonderer Eigenschaften und Risiken, mit denen sie sich sowohl von normalen festverzinslichen Anleihen, als auch von anderen üblichen Wertpapieren unterscheide, da es sich um eine Anleihe mit integriertem Kreditderivat handele. Demgemäß vertritt das OLG Karlsruhe die Auffassung, dass bei einer solchen Anleihe mit integriertem Kreditderivat ein erheblicher, über das übliche Maß hinaus gehender Beratungs- und Aufklärungsbedarf bestehe.

Das OLG Karlsruhe hat darauf in seiner Entscheidung auch ausgeführt, dass ein Hinweis, wonach im ungünstigsten Fall ein vollständiger Verlust der in der Anleihe investierten Mittel eintreten kann (Totalverlustrisiko) nicht ausreichend sei, wenn sämtliche erforderlichen Informationen zur Konkretisierung dieses Risikos und zu den Eigenheiten und zur Funktionsweise der Cobold-Anleihen fehlen. So müsse bereits aus der (einfachen) Produktinformation klar hervorgehen, was die Andienung einer Anleihe des Referenzunternehmens bei Eintritt eines Kreditereignisses für den Anleger wirtschaftlich bedeutet. Ferner müsse deutlich gemacht werden, dass die Verknüpfung der Anleihe mit der Bonität von Referenzunternehmen auch ein Risiko darstellt und nicht etwa eine zusätzliche Chance.

Da der Begriff des „Kreditereignisses“ für die mit dem Erwerb einer Cobold-Anleihe verbundenen Risiken entscheidend war, hätte der Kläger nach Auffassung des OLG Karlsruhe im Einzelnen darüber aufgeklärt werden müssen, welche vielfältigen Zahlungsstörungen eines Referenzunternehmens den Begriff des „Kreditereignisses“ erfüllen konnten. Es wäre eine deutliche Aufklärung darüber erforderlich gewesen, in welchen Fallgestaltungen die Kreditabsicherung über das Risiko der eigentlichen Insolvenz eines Referenzunternehmens hinausgehen sollte.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, dass auch die Instanz-Rechtsprechung, ähnlich wie der Bundesgerichtshof in den so genannten Swap-Urteilen, dazu übergeht, bei komplexen strukturierten Finanzinstrumenten den Pflichtenumfang eines Beraters bei der Empfehlung zu dem Erwerb einer solchen Kapitalanlage zu erweitern.

 

In seiner Entscheidung vom 15.04.2014, XI ZR 513/11, hat der Bundesgerichtshof einem Anleger abermals Schadensersatzansprüche wegen einer unterbliebener Aufklärung über die vereinnahmten Provisionen im Zusammenhang mit der Empfehlung zu einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds zugesprochen.

Der betroffene Kunde ließ sich im Jahr 1993 von einem Bankmitarbeiter beraten und hat aufgrund des Beratungsgespräches eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet. Die beratende Bank hat von der Fondsgesellschaft für die Vermittlung der Beteiligung eine Provision erhalten. In dem Prospekt zum Beteiligungsangebot waren zwar Positionen wie Verwaltungsgebühren, Ausgabeaufschläge und Eigenkapitalbeschaffungskosten ausgewiesen, es gab aber keinen Hinweis darauf, dass gerade die beratende Bank eine solche Provision erhält. Eine mündliche Aufklärung über Rückvergütungen ist im Rahmen des Beratungsgespräches nicht erfolgt.

Lässt sich ein Kunde von einem Bankberater über eine Beteiligung an einem bankfremden Produkt beraten, so ist die Bank nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen ungefragt aufzuklären.

Unter einer aufklärungspflichtigen Rückvergütungen werden umsatzabhängige Provisionen verstanden, die aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen.

Anders als nach seiner früheren Rechtsprechung liegt nach aktueller Auffassung des XI. Zivilsenats des BGH schon dann eine Rückvergütung vor, wenn die Provision an die beratende Bank nach dem Inhalt des Prospektes aus offen ausgewiesenen Positionen wie Verwaltungsgebühren, Ausgabeaufschläge und Eigenkapitalbeschaffungskosten gezahlt wird. In seiner Entscheidung vom 15.04.2014 hat der Bundesgerichtshof ebenfalls bestätigt, dass eine Rückvergütung auch dann vorliegt, wenn die Zahlung des Anlegers nicht (direkt) über die Bank an die Fondsgesellschaft erfolgt, sondern direkt an die Fondsgesellschaft und von dort (zurück) an die Bank.

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung erneut gezeigt, wie ernst er es mit der Aufklärungspflicht für Banken bei einem Beratungsvertrag über ein bankfremdes Produkt gegenüber ihren Kunden über erhaltene Provisionen meint. Dabei ist es keinerlei verwerflich, dass eine Bank für die Vermittlung einer Anlage Provisionen erhält, nur muss sie dem Kunden deutlich machen, dass sie daran verdient, damit der Kunde wiederum abschätzen kann, inwieweit die Beratung der Bank in deren eigenem Interesse oder doch eher im Kundeninteresse erfolgt.

 

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