Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 29.08.2013, Az. 9 U 24/11, entschieden, dass es sich bei einer so genannten Cobold-Anleihe um ein komplexes strukturiertes Finanzprodukt handelt, für das besondere Aufklärungspflichten bei einem Beratungsvertrag gelten.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der von einer Bank beratene Kunde Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Bank geltend gemacht. Seine Ehefrau und er seien im Jahr 2007 von dem Mitarbeiter der beklagten Bank falsch beraten worden, da sie über die Eigenheiten und die Funktionsweise einer Cobold-Anleihe nicht richtig aufgeklärt worden seien. Der Mitarbeiter der Bank habe nicht auf die erheblichen Risiken der Cobold-Anleihe, die mit normalen festverzinslichen Wertpapieren nicht vergleichbar sei, hingewiesen.
Das OLG Karlsruhe gab dem Kläger Recht und hat die beklagte Bank zu einer Rückabwicklung verurteilt. Das OLG Karlsruhe hat jedoch die Revision beim BGH zugelassen, da es die Frage von grundsätzlicher Bedeutung hält, welchen Umfang die Anlageberatung einer Bank bei einer synthetischen Anleihe (Anleihe mit Kreditderivat) haben müsse.
Zum Verständnis: Cobold-Anleihen klingen zunächst einmal nett, haben es aber in sich:
Das Konstruktionsprinzip einer Cobold-Anleihe, auch Colibri-Anleihe oder Synthia-Anleihe genannt, scheint recht simpel zu sein. Cobold steht für „Corporate Bond Linked Debt“, also um eine Anleihe bezogen auf Unternehmensanleihen, ein sogenanntes strukturiertes Produkt, eine Anleihe mit integriertem Kreditderivat. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Wette auf die Zahlungsfähigkeit eines Korbes von Unternehmen, die ihrerseits Anleihen emittiert haben. Der Anleger erhält eine Nominalverzinsung von aktuell zwischen 3,0 und 6,25 Prozent und am Ende der Laufzeit den Nominalwert der Anleihe zurückerstattet, sofern bei keinem der zugrundeliegenden Unternehmen ein sogenanntes „Kreditereignis“ eintritt.
Mit „Kreditereignis“ ist die Insolvenz oder eine andere erhebliche Beeinträchtigung der Zahlungsstörungen eines Referenzunternehmens gemeint, die gewöhnlich in einem komplizierten Regelwerk alternativer Bedingungen und Ereignisse erläutert werden. Wenn eines der Unternehmen seine Anleiheschulden nicht bezahlt, kann der Emittent die Cobold-Anleihe gegen die Anleihe der Pleitefirma austauschen. Wie hoch der Gegenwert ist, weiß der Anleger nicht, das Risiko des Ausfalls eines Referenzunternehmens wird auf den Anleger übertragen.
In seiner Entscheidung hat das OLG Karlsruhe zunächst herausgearbeitet, dass bei Cobold-Anleihen grundsätzlich eine spezifische Aufklärungspflicht bestehe. Die Anleihe habe eine ganze Reihe besonderer Eigenschaften und Risiken, mit denen sie sich sowohl von normalen festverzinslichen Anleihen, als auch von anderen üblichen Wertpapieren unterscheide, da es sich um eine Anleihe mit integriertem Kreditderivat handele. Demgemäß vertritt das OLG Karlsruhe die Auffassung, dass bei einer solchen Anleihe mit integriertem Kreditderivat ein erheblicher, über das übliche Maß hinaus gehender Beratungs- und Aufklärungsbedarf bestehe.
Das OLG Karlsruhe hat darauf in seiner Entscheidung auch ausgeführt, dass ein Hinweis, wonach im ungünstigsten Fall ein vollständiger Verlust der in der Anleihe investierten Mittel eintreten kann (Totalverlustrisiko) nicht ausreichend sei, wenn sämtliche erforderlichen Informationen zur Konkretisierung dieses Risikos und zu den Eigenheiten und zur Funktionsweise der Cobold-Anleihen fehlen. So müsse bereits aus der (einfachen) Produktinformation klar hervorgehen, was die Andienung einer Anleihe des Referenzunternehmens bei Eintritt eines Kreditereignisses für den Anleger wirtschaftlich bedeutet. Ferner müsse deutlich gemacht werden, dass die Verknüpfung der Anleihe mit der Bonität von Referenzunternehmen auch ein Risiko darstellt und nicht etwa eine zusätzliche Chance.
Da der Begriff des „Kreditereignisses“ für die mit dem Erwerb einer Cobold-Anleihe verbundenen Risiken entscheidend war, hätte der Kläger nach Auffassung des OLG Karlsruhe im Einzelnen darüber aufgeklärt werden müssen, welche vielfältigen Zahlungsstörungen eines Referenzunternehmens den Begriff des „Kreditereignisses“ erfüllen konnten. Es wäre eine deutliche Aufklärung darüber erforderlich gewesen, in welchen Fallgestaltungen die Kreditabsicherung über das Risiko der eigentlichen Insolvenz eines Referenzunternehmens hinausgehen sollte.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, dass auch die Instanz-Rechtsprechung, ähnlich wie der Bundesgerichtshof in den so genannten Swap-Urteilen, dazu übergeht, bei komplexen strukturierten Finanzinstrumenten den Pflichtenumfang eines Beraters bei der Empfehlung zu dem Erwerb einer solchen Kapitalanlage zu erweitern.