Direktionsrecht und Änderungskündigung

Welche Ortswechsel kann der Arbeitgeber einseitig vorschreiben?

Um den guten Job zu behalten, muss ein Arbeitnehmer oft viel hinnehmen und sich flexibel zeigen, das Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehört für viele Beschäftigte zum Alltag. Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber plötzlich fordert, dass die Arbeit woanders verrichtet werden soll?

Nachfolgend finden Sie einige Antworten darauf, welche Ortswechsel der Arbeitgeber einseitig vorgeben darf und welche nur mit Zustimmung des Mitarbeiters möglich sind.
 
1. Arbeitsvertrag
 
Wenn ein Mitarbeiter mit der Frage eines Arbeitsortswechsels konfrontiert ist, sollte zunächst der eigene Arbeitsvertrag überprüft werden. Wenn darin beispielsweise explizit die Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort vorgegeben ist, gibt es wenige Gründe für den Arbeitgeber einen Ortswechsel zu verlangen.
 
2. Direktions- und Weisungsrecht
 
Im Arbeitsvertrag finden sich meist so genannte "Öffnungsklauseln", wonach der Arbeitgeber dem Mitarbeiter andere Aufgaben übertragen und/oder ihn in zumutbaren Grenzen an anderen Orten dauerhaft einzusetzen darf. Sofern ein Arbeitsvertrag eine solche Öffnungsklausel enthält, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich aufgrund seines Weisungs- und Direktionsrechts an einen anderen Ort versetzen. Das heißt allerdings nicht, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter beliebig weit entfernt einsetzen darf, die Versetzung muss dem Arbeitnehmer nach billigem Ermessen noch zugemutet werden können. Die Zumutbarkeit ist immer eine Frage des Einzelfalles, die herrschende Meinung geht davon aus, dass ab einem Ortswechsel von mehr als 100 Kilometer kein einseitiges Direktionsrecht mehr ausgeübt werden kann, dann bräuchte der Arbeitgeber die Zustimmung des Mitarbeiters. Manchmal ist ein Ortswechsel von mehr als 10 Kilometer bereits nicht mehr zumutbar, beispielsweise wenn es eine andere ? näher gelegene ? Filiale gibt, in der der Mitarbeiter eingesetzt werden kann.
 
Hat ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern einen Betriebsrat, so ist vor der Versetzung dessen Zustimmung einzuholen. Arbeitgeberseitig angeordnete Ortswechsel eines Mitarbeiters sind immer dann zustimmungspflichtig, wenn der Wechsel voraussichtlich länger als einen Monat dauert.
 
3. Betriebsverlegung
 
Die Verlegung eines ganzen Betriebes von einer Arbeitsstelle zu einer anderen ist keine Versetzung, sondern eine Betriebsänderung. Sofern der Arbeitsplatz des Mitarbeiters wegfällt, soll der Arbeitgeber als "mildestes Mittel" versuchen, den betroffenen Mitarbeiter auf einen möglichen anderen freien Arbeitsplatz versetzen.
Sollte ein gleichwertig qualifizierter Arbeitsplatz nur an einem anderen Betriebsort vorhanden sein, kann der Arbeitgeber versuchen, einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer eine Vertragsänderung zu vereinbaren. Sollte eine solche einvernehmliche Vertragsänderung scheitern, ist der Arbeitgeber gehalten, eine Änderungskündigung auszusprechen.
 
4. Änderungskündigung
 
Die Änderungskündigung unterliegt bestimmten Formalien, so bedarf sie beispielsweise unbedingt der Schriftform. Sie ist in zwei Formen möglich, der Arbeitgeber kann unbedingt kündigen und im Zusammenhang mit der Kündigung neue Arbeitsbedingungen anbieten oder der Arbeitgeber kündigt unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer das ihm unterbreitete Änderungsangebot nicht annimmt.
 
Derjenige, der eine Änderungskündigung erhalten hat, hat mehrere Möglichkeiten zu reagieren.
 
a) vorbehaltlose Annahme der Änderungskündigung
 
Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Änderungskündigung ohne Vorbehalt anzunehmen, die Änderung des Arbeitsvertrages wird dann zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie nach dem Änderungsangebot in Kraft treten soll.
 
b) Ablehnung der Änderungskündigung
 
Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers ab, so ist ihm der Weg der Änderungsschutzklage (dazu siehe unten) verschlossen. Der Arbeitnehmer kann die Änderungskündigung dann mit der normalen Kündigungsschutzklage angreifen, es geht dann ausschließlich um die Frage, ob der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam beenden konnte oder nicht. Die Änderungskündigung könnte beispielsweise sozialwidrig und damit unwirksam sein, wenn sie nicht durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Mitarbeiters oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gedeckt ist.
 
Die "Gefahr" hierbei ist, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, wenn das Gericht feststellen sollte, dass die Kündigung wirksam gewesen ist. Der Arbeitnehmer, der eine Änderungskündigung ablehnt, hat aber zudem die Möglichkeit, gemäß § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung zu beantragen.
 
c) Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt
 
Wer "auf Nummer sicher" gehen möchte, kann das Angebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt annehmen. Diese Vorbehaltsannahme bewirkt, dass der durch die Annahme zustande gekommene Änderungsvertrag unter der auflösenden Bedingung steht, dass nicht die Sozialwidrigkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen gerichtlich festgestellt wird.
 
Bei der gerichtlichen Überprüfung wird also nur das geänderte Arbeitsverhältnis überprüft. In einem ersten Schritt überprüft das Gericht, ob es für die Vertragsänderung überhaupt einen Grund gibt, d.h. ob der Arbeitgeber überhaupt aufgrund eines verhaltens- oder personenbedingten Grundes oder aufgrund von betrieblichen Erfordernissen eine Kündigung aussprechen durfte. Liegt ein solcher Grund nicht vor, ist die Änderungskündigung von vorneherein unwirksam, das alte Vertragsverhältnis lebt wieder auf.
 
Wenn ein solcher Grund vorliegt, prüft das Gericht in einer zweiten Stufe, ob der Arbeitgeber sich nur darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Mitarbeiter billigerweise hinnehmen muss. Es wird dann eine Abwägung der Interessen erfolgen. So wird eine betriebsbedingte Änderungskündigung nur dann als sozial gerechtfertigt anzusehen sein, wenn die betrieblichen Erfordernisse so dringend sind, dass diese die Maßnahme unter Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der erstrebten Änderung und des Interesses des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.
 
Wird die Änderungsschutzklage abgewiesen, wird der erklärte Vorbehalt wirkungslos, das Arbeitsverhältnis besteht dann zu den geänderten Bedingungen fort.
Wird der Änderungsschutzklage hingegen stattgegeben, gilt die Änderungskündigung als von Anfang an unwirksam, die alten Arbeitsbedingungen werden rückwirkend wieder hergestellt (hatte die Änderungskündigung beispielsweise Auswirkungen auf die Höhe des Entgelts, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen ursprünglich gezahltem Entgelt und dem tatsächlich gezahlten nachleisten).
 
Der Arbeitnehmer kann im Wege der Änderungsschutzklage nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 9 KSCHG erreichen. Eine solche Abfindung ist zwar in den meisten Fällen Gegenstand eines gerichtlichen Vergleiches, der Klageantrag kann hierauf jedoch nicht gestützt werden.
 
5. Fristen

Wenn sich der Mitarbeiter gegen eine Änderungskündigung zur Wehr setzen möchte und/oder diese unter Vorbehalt annehmen und dann gerichtlich überprüfen lassen möchte, ist es sehr wichtig, auch hier die Fristen zu beachten! Nach Erhalt der Kündigung läuft für den Arbeitnehmer die Drei-Wochen-Frist zur Handlung. Wartet er mehr als 22 Tage ab, verliert er seine Rechte und Möglichkeiten!

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